Physiotherapieberufe bedürfen Reformierung
Region. - „Eine gesetzliche Neugestaltung sowie pädagogisch-didaktische und inhaltliche Reformierung der Berufe in der Physiotherapie, vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, einer zunehmenden Morbidität sowie immer komplexer werdenden Versorgungsstrukturen ist unverzichtbar. Dabei stehen wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, für eine zukunfts- und bedarfsorientiere Reform, die sowohl die Berufsbilder in der Physiotherapie reformiert, attraktiver macht und folglich eine flächendeckende Patientenversorgung gewährleistet“, erklärte der heimische CDU-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Erwin Rüddel bei einem Informationsbesuch in der Asbacher Praxis von Dagmar Stöcker.
Die hatte gemeinsam mit ihrem Patienten Martin Mallach eine kleine Initiativgruppe gebildet und den Gesundheitspolitiker zu einer Bestandsaufnahme mit Erfahrungsaustausch eingeladen. Denn wie derzeit auch im gesamten Wahlkreis bei vielen weiteren physiotherapeutischen Praxen ist Hilfe und Handeln dringend angesagt. Wachsender Bedarf, lange Arbeitszeiten, Fachkräftemangel, überschaubare Vergütung und überbordende Bürokratie machen es den Akteuren der Physiopraxen so schwer, dass sie hart am Limit arbeiten.
„Wir gehen quasi auf dem Zahnfleisch“, hieß es. Eine im Rahmen der Reform angedachte Lösung über eine Akademisierung der physiotherapeutisch Handelnden sei absolut keine Lösung, da sie den bestehenden Personalnotstand nicht verringere sondern vergrößere. Zur Reform der Ausbildung der Physiotherapieberufe müsse gelten: Evolution statt Revolution.
Generell gelte es, mit Blick auf den Fachkräftemangel von derzeit mindestens 12.060 unbesetzten Stellen, auch ein Signal an untere und mittlere Schulabschlüsse zu senden, über ein vielfältiges, durchlässiges Ausbildungsangebot gerade in medizintherapeutischen Berufen. Es dürften keine zusätzlichen Hürden geschaffen werden, die faktisch ganze Gruppen vom Berufsbild der Physiotherapie ausschließen. Daher müsse beispielsweise auch das Berufsfeld des Masseurs bzw. der Masseurin separat erhalten bleiben und der Zugang zu dieser Ausbildung weiterhin mit Haupt- und Mittelschulabschluss möglich sein.
Gleichzeitig müsse die Attraktivität des physiotherapeutischen Berufsbildes gesteigert werden. „Das bedeutet auch, dass bei der weiterhin viel zu schlechten Entlohnung der Arbeit in der Physiotherapie, sowohl bei den erfahrenen Therapeuten als eben auch in der Ausbildung deutlich nachgebessert werden muss“, konstatierte Erwin Rüddel.
„Eine verbindliche und ausschließliche Ausrichtung der Ausbildung auf Akademisierungsgrade, mit abschließenden Bachelor- oder Masterabschluss könnte dazu führen, dass die physiotherapeutisch interessierten Ausbildungsanwärter, die unseren Beruf aber primär als Handwerk sehen und nicht im Rahmen eines wissenschaftlich angelegten Studiengangs, der die Lerninhalte und Denkweisen eher evidenzbasiert definiert und lenkt, abgeschreckt würden“, gab Dagmar Stöcker zu bedenken.
Um den Fachkräftemangel zeitnah zu mildern, sind für die Leiterin der Physiotherapie in Asbach zwei Wege denkbar. Zum einen durch einen Qualitätscheck von ausländischen Kollegen, die in ihren Heimatländern als Physiotherapeuten arbeiten dürfen, ob zumindest die Abrechnungsposition der Krankengymnastik von den Krankenkassen anerkannt werden kann. Dieser Qualitätscheck könnte, so Stöcker, auf drei Monate Schule o.ä. reduziert sein und fachspezifisch sowie effizient durchgeführt werden, d.h. prüfen und gegebenenfalls weiterbilden, eventuell auch mit Abschlussprüfung.
Zum anderen die Abrechnung der Position Krankengymnastik durch Masseure, die in einer Physiotherapie arbeiten (und die bis dato keine Krankengymnastik durchführen dürfen), wenn der fachliche Leiter (Physiotherapeut) in der Praxis anwesend ist. „Eine Anerkennung der Krankengymnastik, die durch Masseure durchgeführt wird in Anwesenheit eines Physiotherapeuten, könnte kurzfristig dazu führen, dass mehr Krankengymnastik durchgeführt werden darf bzw. auch Masseure eingestellt werden können, da sie den Praxen den Benefit der Abrechnungsposition Krankengymnastik bieten könnten. Analog dazu ist ja auch erlaubt, dass Azubis in der Physiotherapie unter Aufsicht und Anwesenheit eines Fachleiters- entsprechende Therapien durchführen dürfen“, argumentiert Dagmar Stöcker.
Sie ist sich, was die Kompetenzen betrifft, sicher, dass ein Masseur „sicherer“ arbeitet (und zudem in seiner Ausbildung auch Krankengymnastik gelernt hat, diese aber als Bewegungstherapie deklariert wird) als ein Auszubildender, der noch ganz am Anfang steht und dementsprechend nur viel Halbwissen bieten kann.
„Bei diesem intensiven Austausch sind ebenso wichtige wie dringende Aspekte im Bereich der Physiotherapie erörtert worden, die ich unterstütze und für die ich mich auch in Berlin einsetzen werde. Eine finanzielle und fachliche Aufwertung dieses Berufsbildes mit deutlich weniger Bürokratie ist überfällig“, bekräftigte Erwin Rüddel.
Im Bild: Martin Mallach, Dagmar Stöcker, Erwin Rüddel, Katja Civello und Ursula Lüttge-Thenert erwarten und fordern dringend notwendige Verbesserungen zur physiotherapeutischen Praxis
Foto: Heinz Werner Lamberz