Berlin. – Beim Treffen der Parlamentsgruppe Bahnlärm am 22. September 2015 in Berlin lag den anwesenden Abgeordneten u.a. eine 'Gemeinsame Diskussionsvorlage BI Schienenlärm und Parlamentsgruppe Bahnlärm' vor.
Hier der volle Wortlaut:
Gemeinsame Diskussionsvorlage BI Schienenlärm und Parlamentsgruppe Bahnlärm
Monitoring
Reduzierung des Bahnlärms
Die negativen Folgen des Bahnlärms - neben den Erschütterungen und dem Feinstaub – sind unbestritten. Maßnahmen zur Verringerung des Bahnlärms vor allem durch Güterwagen sind daher im Koalitionsvertrag beschlossen und werden von Bundesregierung und Parlament entsprechend umgesetzt.
Reduzierung des Bahnlärms an der Quelle ist die preisgünstigste und effizienteste Methode, den Bahnlärm nachhaltig zu verringern, der durch das Abrollgeräusch rauer und / oder unrunder Räder auf verriffelten Schienenoberflächen entsteht.
Ursachen: Bremssohlen, Flachstellen und Polygone
Vor allem mit Grauguss Bremssohlen gebremste Güterwaggons verursachen durch die permanente Aufrauhung der Laufflächen exzessive Rollgeräusche.
Der Mittelungs-Pegel von Grauguss gebremsten Güterwagen liegt ca. 10 bis 11 dB(A) über dem von Verbundstoff-Sohlen gebremsten Wagen, das bestätigen die Messungen unter Betriebsbedingungen.
Auch mit Verbundstoff-Sohlen gebremste Waggons verursachen laute Rollgeräusche, wenn sie nicht rechtzeitig gewartet werden, d.h. die Laufflächen müssen in kürzeren Abständen abgedreht werden. Parallel hierzu müssen die Laufflächen der Schienen zeitlich synchron geschliffen werden - nur ein glattes Rad auf glattem Gleis verursacht weniger Lärm.
Unrunde Räder
Weit schwerer wiegende Ursachen für Lärm und Erschütterungen, sowie der erhöhten Beschädigung der Laufflächen der Schiene, sind die sogenannten Flachstellen und Polygone am Rad.
Flachstellen entstehen durch das Blockieren eines Rades auf der Schiene durch einen Bremsvorgang, dabei wird Material vom Rad abgeschliffen. Polygone (eckige Räder) entstehen durch mechanische, thermische, material- oder bauartbedingte punktuelle periodische Überbeanspruchungen der Laufflächen und resultieren aus dem Eisenbahnbetrieb, dem Fahren von Stahl auf Stahl. Polygone erzeugen hohe dynamische Kräfte und wachsen mit zunehmender Laufleistung weiter an.
Während ein Wagenmeister Flachstellen manchmal durch Augenschein erkennen kann - wenn die Flachstelle nicht gerade unten am Rad oder im Bereich der Bremsbacken liegt - sind Polygone und unrunde Räder nur durch eine Rundlaufmessung in der Werkstatt zu erkennen. Einheitliche Grenzwerte sind bereits im UIC Merkblatt mit 0,6 mm Rundlaufabweichung definiert.
Flachstellen und vor allem Polygone wirken durch die hohen dynamischen Kräfte nicht nur auf das Gleis, was Lärm und Erschütterungen verursacht, sondern auch auf die Achsen, Radlager und das Drehgestell insgesamt.
Die Spitzen-Pegel Erhöhung durch Flachstellen und Polygone liegt bei GG-gebremsten Wagen bei ca. 6 bis 8 dB(A). Durch den erhöhten Grundpegel bei GG-gebremsten Wagen erfasst die dB(A) Bewertung nur teilweise die schlagenden und dröhnenden Lärmerhöhungen.
Die Spitzen-Pegel-Erhöhung bei Verbundstoff gebremsten Wagen mit Flachstellen und Polygonen zeigt die tatsächlichen Auswirkungen. Eine Flachstelle mit 59 mm Länge (darf eigentlich weiterfahren, weil der Wert unter dem Betriebsgrenzmaß von 60 mm Länge liegt) erzeugt aber eine Pegelerhöhung von 9 bis 11 dB(A). Polygone wirken mit 8 bis 10 dB(A).
Damit wird auch nach der 100%tigen Umrüstung auf VB-Bremsen 2020 der Zugverkehr nicht automatisch und gleichbleibend leise.
Das frühzeitige Erkennen von Flachstellen und Polygonen ist daher vor allem aus betriebswirtschaftlicher Sicht, aber auch aus Gründen der Vermeidung von Lärm und Erschütterungen unerlässlich, damit beschädigte und lärmverstärkende Räder so früh wie möglich in die Werkstatt gebracht werden können. Jeder zusätzlich gefahrene Kilometer beschädigt Rad, Drehgestell und Schiene erheblich, zumal Polygone sich bei VB-Bremsen schnell vergrößern (aufwachsen), während sie bei GG-Bremsen durch den Metall-auf-Metall Abrieb beim Bremsen eher "rund" geschliffen werden.
Moderne Monitoring Technik
Seit mehreren Jahren im In- und Ausland in Monitoring-Stationen eingesetzte Technik ermöglicht heute eine Rad genaue Identifikation von Flachstellen und Polygonen im laufenden Betrieb.
Bereits 2 Minuten nach der Vorbeifahrt des Zuges können dem zuständigen Wagenmeister, dem Wagenhalter und ggf. der Werkstatt alle Daten online zur Verfügung gestellt werden, die eine kurzfristige geplante und auf den Produktionsablauf abgestimmte Herausnahme des Wagens ermöglicht. Durch die Vorinformation an den Wagenmeister und den Wagenhalter werden diese überhaupt erst in die Lage versetzt, gezielte und diesem Defekt entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Dies ist nicht nur für den Wagenhalter, den EVUs und den Netzbetreiber betriebswirtschaftlich von Vorteil, auch der Versender kann durch rechtzeitiges Umladen vor weiterem Schaden bewahrt werden, wenn z.B. der Wagen wegen eines schadhaften Rades erst nach Ankunft des Zuges am Bestimmungsbahnhof erkannt und ausgesondert wird. Derzeit gilt international die Regel, das Flachstellen über dem Betriebsgrenzmaß (>60 mm Länge) ausgesondert und abgedreht werden müssen. Die Kosten belaufen sich dabei auf ca. 3.000 bis 5.000 € / Wagen. Der Wagenhalter hat nicht die Möglichkeit den Wagen seiner Vertragswerkstatt zum ermäßigten Preis zuzuführen. Auch die EVUs die einen Zug von A nach B fahren haben ein direktes Interesse, dass alle Wagen auch ankommen und nicht unplanmäßig stillgelegt werden. Ein ausgegleister Wagen zehrt am Gewinn des gesamten Zuges.
Lärmminderung durch reduzierte Geschwindigkeit
Langsamer fahrende Züge werden subjektiv als leiser empfunden. Die Messungen unter Betrieb belegen, dass die zulässige Betriebsgeschwindigkeit von 100 km/h im Güterzugverkehr unter Betriebsbedingungen nicht durchgängig gefahren werden. Die mittlere Betriebsgeschwindigkeit beträgt ca. 80 bis 85 km/h. Nur ca.30% der Züge fahren im Bereich von 90 bis 100 km/h, 12% fahren bereits heute schon unter 70 km/h.
Langsamere Züge bis 70 km/h im Verhältnis zu 100 km/h sind bis zu 6 d/BA leiser, betrachtet man aber die tatsächlichen Zuggeschwindigkeiten 80 bis 85 km/h ergibt sich im Mittel nur eine Pegelsenkung von 2- max. 3 dB(A), je nach der Zusammensetzung des Zuges.
Ganze Züge mit 100 % VB Bremsen sind bei 70 km/h ca. 10 d/BA leiser als 100% GG gebremste Züge. Allerdings macht eine Flachstelle im "leiseren" Zug den ganzen Effekt zunichte, weil die Menschen durch die Flachstelle dennoch aufgeweckt werden.
Eine weitere Senkung der Geschwindigkeit unter 70 km/h ist auf Grund der erhöhten dynamischen Kräfte physikalisch nicht zu empfehlen. Es besteht eine erhöhte Neigung zur Riffelbildung auf der Schiene.
Dabei werden Flachstellen bei schnelleren Zügen weniger laut empfunden, als bei langsameren Zügen. Das hat mit der Umdrehungsgeschwindigkeit des Rades zu tun: Bei langsamerer Umdrehung "fallen" die Räder mit der Flachstelle "tiefer=lauter" auf das Gleis als bei schnellerer Umdrehung. Man kann das mit dem "Flattern" von nicht ausgewuchteten Reifen beim Auto vergleichen: ab einer bestimmten Geschwindigkeit, z.B. Bei 80 km/h gleicht sich die Unwucht durch Fliehkräfte eher aus als bei langsameren Umdrehungen. Das "Flattern" hört auf. Ähnlich ist es beim Rad eines Güterwagens. Allerdings wirken beim Güterwagen die Unrundheiten des Rades (vor allem bei Polygonen) bei höheren Geschwindigkeiten mechanisch stärker auf die Lauffläche, Achse, Radlager und Gleis, auch wenn das hörbare Geräusch etwas geringer erscheint. Man hört diese sehr stark als Rattern eines Rades. Polygone Räder haben pro Radumdrehung nicht nur einen Schlag sondern 8 bis 20 verteilt über den gesamten Umfang. Erst bei 120 km/h werden die Fliehkräfte so groß, dass diese sich leiser anhören.
Es ist daher unerlässlich, schadhafte Räder zeitnah aus dem Verkehr zu ziehen und in der Werkstatt zu reparieren.
Vorausschauende Instandhaltung durch bundesweites Monitoring
Die verfügbare Monitoring-Technik ermöglicht diese vorausschauende Instandhaltung und ist daher aus betriebswirtschaftlicher Sicht zwingend. Die damit verbundene Reduzierung des Lärms ist ein willkommener, aber unerlässlicher Nebeneffekt, der dazu beiträgt, die Akzeptanz des Güterverkehrs vor allem auf den hochbelasteten Strecken zu erhöhen. 15 Monitoring Stationen deutschlandweit an strategisch wichtigen Punkten im Netz der DB installiert, werden nachhaltig zum erhöhten betriebswirtschaftlichen Erfolg der DB sowie der Reduzierung des Bahnlärms beitragen.
Eine Überwachung der nachhaltigen Lärmreduzierung nach 2020 ist nur über ein flächendeckendes Netz von Monitoringstationen möglich und muß im Gesetz zur Umrüstung der Fahrzeuge auf VB Bremse zwingend vorgeschrieben werden. Eine Überwachung des Güterverkehrs nur auf der Basis von Papier wird abgelehnt.